verschwundene Höhlen

Forever Lost Places - verschwundene Höhlen

Höhlen wurden und werden in allen Ländern zerstört, in denen es sie gibt – die überwiegende Mehrheit durch Gesteinsabbau. Dokumentiert werden derartige Fälle nur selten. Dies führt dazu, dass in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, Politik und Behörden jeder neue Fall wieder als Einzelfall betrachtet wird. Eine Zusammenstellung aller zerstörten Höhlen für Deutschland soll diese Perspektive ändern. 

Gegenwärtig sind auf dieser Liste 647 Höhlen. Einige gut dokumentierte Fälle, die vor allem den hohen Wert dessen, was verloren wurde, erkennen lassen, werden im Folgenden dargestellt. Denn es verschwinden mit den Höhlen auch ihre umgebenden Landschaften und die Höhleninhalte wie archäologische und paläontologische Relikte und Tropfsteine, die als Klimaspeicher für die Wissenschaft wichtige Daten liefern. 

Deshalb ein dringender Appell an alle Grundstückseigentümer, Behörden und Höhlenforscher:
1. Höhlen und Karstgebiete vor Zerstörung zu bewahren
2. Wenn unumgänglich, sie zumindest vor der Zerstörung fachlich genau zu dokumentieren 
3. Zerstörungen zu melden,
da jede Höhle einzigartig, nicht ersetzbar oder wiederherstellbar ist. 

Anzahl der zerstörten Höhlen in Deutschland: 647

Stand: 03.01.2025

VdHK-Pressemeldung vom 04.01.2025

Die Geschichte der Sachsensteinhöhle im Südharz

eine Schauhöhle im Gipskarst landet im Schredder

 

Als erste verschwundene Höhle soll die Geschichte der Sachsensteinhöhle bei Neuhof im Südharz hier noch einmal sichtbar werden. Die Höhle lag im südlichen Ausläufer des Sachsensteins im Gipskarst, unmittelbar über dem braunschweigischen Dorf Neuhof. Ihr Eingang wurde erstmalig um das Jahr 1860 bei Steinbrucharbeiten aufgeschlossen und wieder zugeschüttet. 1928 wurde sie erneut freigegraben und am 5. Mai 1929 als Schauhöhle eröffnet. Dr.-Ing. Friedrich Stolberg, der Nestor der Harzer Höhlenforschung, schrieb hierzu 1930: „Der Hauptreiz der Sachsensteinhöhle in ihrer Eigenschaft als Schauhöhle beruht … auf der Großzügigkeit des Raumeindruckes in Verbindung mit der Phantastik unterirdischer Blockmeere. Die Lage in unmittelbarer Nachbarschaft des Bades Sachsa dürfte auch die Vorbedingung zu einer einigermaßen günstigen wirtschaftlichen Weiterentwicklung in sich tragen.“

Die Sachsensteinhöhle ist mittlerweile spurlos verschwunden. In unmittelbarer Nähe zur ehemaligen Lage der Höhle gab es ein 1988 stillgelegtes kleines Gipswerk. Einen bedeutenden Aufschwung erlebte das Gipswerk am Sachsenstein erst nach dem 2. Weltkrieg. Da der Steinbruch alsbald an die natürliche Vorkommensgrenze des hier anstehenden Gipsgesteins stieß, wurde mit der Planung begonnen, das Gestein oberhalb der Höhle abzubauen. Dass die Sachsensteinhöhle dadurch irreparablen Schaden nehmen würde, wurde in Kauf genommen. Und obwohl die Sachsensteinhöhle bereits als Naturdenkmal in das Naturdenkmalbuch des Kreises Blankenburg eingetragen war, wurde die Aufhebung dieses Schutzstatus beantragt. 

Als schlagkräftiges Argument wurde wieder einmal der ansonsten drohende Verlust an Arbeitsplätzen vorgeschoben (Braunlager Zeitung vom 27.5.1951). Man malte an die Wand, dass ansonsten 35 bis 38 Leute ihre Arbeit verlieren würden. Das war also schon zu damaliger Zeit ein beliebtes Druckmittel der Gipsindustrie. Zur Aufhebung des Naturschutzes musste nun allerdings ein Gutachten über die Schutzwürdigkeit eingeholt werden. Ein Gutachter bescheinigte anschließend, dass die Höhle abgebaut werden könne unter der Auflage, dass es einen engen Kontakt mit der Naturschutzbehörde zwecks Sicherung ggf. vorgeschichtlicher Zeugnisse gibt. Die Harzer Höhlenforscher, allen voran Dr. Stolberg, erfuhren von dem der Höhle drohenden Schicksal erst 1951, als es bereits zu spät war. Aus heutiger Sicht kann man hierzu nur anmerken, dass es anscheinend den Plan gab, eventuelle Einsprüche durch die Schaffung vollendeter Tatsachen abzuwehren – ein auch in der heutigen Zeit anzutreffendes Prozedere.

Der Kompromiss wurde in der Presse als Erfolg gefeiert. Man vertrat die Auffassung, dass die Sachsensteinhöhle nur von mäßiger Schönheit sei und man ja die nahegelegene Einhornhöhle besichtigen könnte. Dass es sich hierbei um völlig verschiedene Höhlentypen handelte, fand offenbar überhaupt keine Berücksichtigung.

Bericht zu Gipsabbau und Arbeitsplätzen 1950 
 

Literatur 
Brederlow, C.G.F. (1846): Der Harz. – Braunschweig

Fricke, U. (2021): Die Zerstörung der Sachsensteinhöhle. – Mitt. Arbeitsgem. Karstkunde Harz 42 (1+2): 3-9

Reinboth, F. (1983): Erinnerungen an die Sachsensteinhöhle bei Neuhof. – Mitt. Arbeitsgem. Karstkunde Niedersachsen 1983 (4): 10-17; auch in www.karstwanderweg.de

Reinboth, F. (2013): Chronik der Gipsindustrie in Walkenried und Neuhof. – Clausthal-Zellerfeld, S. 20 f.

Stolberg, F. (1929): Die Sachsensteiner Höhle. – Mitteldeutscher Nachrichtendienst, Bericht 50, S. 2, Halberstadt

Stolberg, F. (1930): Die Sachsensteinhöhle bei Neuhof am Südharz. Eine Studie zur Schlottenfrage. – Mitt. üb. Höhlen- u. Karstf. 1930 (1): 19-22

Zerstörung und Höhlenschutz?

Das erste Naturschutzgesetz Deutschlands wurde bereits 1920 erlassenen – es war das preußische „Kleine Naturschutzgesetz“, das aus der Feder des Mentors der deutschen Höhlenforschung Dr. Benno Wolf stammt. Dennoch dauerte es 78 Jahre, bis 1998 Naturhöhlen zumindest als Habitat in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen wurden. Es bedurfte dazu der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft. Als Lebensraumtyp 8310 sind natürliche Höhlen jetzt europaweit als Lebensraum für Tiere geschützt. Für einen Schutz als Geotop kämpfen wir immer noch. Höhlen führen nach wie vor ein Schattendasein in der öffentlichen Wahrnehmung. Man sieht sie nicht, sie sind für die Öffentlichkeit nicht „präsent“. Dabei haben Höhlen mit Quellen als Habitat ein Merkmal gemeinsam: Sie sind unersetzlich. Eine zerstörte Höhle kann nicht wiederhergestellt werden, und es kann auch keine Ersatzhöhle geschaffen werden, selbst wenn unbeschränkte Mittel zur Verfügung stehen würden. Der vom Gesetzgeber geforderte Ausgleich von Zerstörungen, der bei vielen oberirdischen Habitaten möglich ist, wenn auch mehr schlecht als recht, ist bei Höhlen ein Ding der Unmöglichkeit. Eine zerstörte Höhle ist für immer verloren.